Verjährung von Pflichtteilansprüchen bei unbekannter Vaterschaft
OGH 2 Ob 175/22g
In der Entscheidung 2 Ob 175/22g des OGH geht es um die Verjährung des Pflichtteilanspruches eines unehelichen Kindes, nachdem dieses erst 15 Jahre nach dem Tod ihres Vaters von der Vaterschaft erfahren hat.Grundsätzlich gilt bei pflichtteilsrechtlichen Ansprüchen eine Verjährungsfrist von drei Jahren ab Entstehung des Anspruches gem. § 1487 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015, nämlich dem Tod des Erblassers. Das gilt selbst dann, wenn man aufgrund mangelnden Kontaktes nichts vom Tod des Elternteils erfährt. Da hier die Vaterschaft jedoch überhaupt erst 15 Jahre später bekannt wurde und die Tochter somit nichts von dieser gewusst hat, entsteht der Anspruch laut Judikatur des OGHs erst ab der Vaterschaftsfeststellung. Somit läuft auch die Verjährungsfrist erst ab diesem Zeitpunkt.
Grundbuch: Journalistische Recherche als rechtliches Interesse iSd § 5 Abs 4 GUG
OGH 5 Ob 178/22w
Stellt eine journalistische Recherche ein rechtliches Interesse im Sinne des § 5 Abs 4 GUG dar und kann demnach ein Journalist Einsicht in das Personenverzeichnis des Grundbuchs nehmen? Mit dieser Konstellation hat sich der Oberste Gerichtshof jüngst in 5 Ob 178/22w beschäftigt.
Dabei judizierte der OGH, dass journalistische Recherche, unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und Darlegung eines öffentlichen Interesses an der Informationsbeschaffung, ein rechtliches Interesse nach § 5 Abs 4 GUG darstellen kann. Von so einem überwiegenden öffentlichen Interesse ist vor allem dann auszugehen, wenn die Überprüfung von Amtsgeschäften durch die Informationsbeschaffung ermöglicht werden soll. In vorliegendem Fall handelte es sich um die Überprüfung der Einhaltung EU Sanktionen gegen Russland.
Pflichtteilsrechtliche Hinzurechnungen von Schenkungen
2 Ob 207/21m
In der Entscheidung 2 Ob 207/21m des OGH wurde judiziert, dass der Erbe für Pflichtteilsansprüche nur bis zum Wert des Nachlasses haftet, auch wenn die Erbantrittserklärung unbedingt ist. Bei der Hinzurechnung einer Schenkung, haftet der Geschenknehmer, sei er Erbe oder nicht, auch nur, wenn der Nachlass nicht zur Deckung des, aufgrund der Schenkungshinzurechnung, erhöhten Pflichtteils ausreicht.
Kollisionskurator bei gleichzeitiger Beteiligung von mj. Kind und Obsorgeberechtigten an Gesellschaft
OGH 3Ob204/21b
In der Entscheidung des OGH 3Ob204/21 b wird die Situation behandelt, in der zwei minderjährige Gesellschafter und deren Obsorgeberechtigte (in diesem Fall die Mutter) an einer Gesellschaft mit beteiligt sind. Für diesen Fall wurde ein Kollisionskurator für bestimmte Aufgaben gemäß § 277 Abs 2 ABGB bestellt. Der OGH entschied daraufhin, dass Kollisionskuratoren zur Vertretung Minderjähriger, deren Obsorgeberechtigter so wie sie selbst einer Gesellschaft angehört, nur für bestimmte Situationen bestellt werden können. Für den laufenden Geschäftsbetrieb wird grundsätzlich ein Kollisionskurator nicht als erforderlich betrachtet. Die bloße Möglichkeit eines späteren Interessenskonfliktes reicht nicht aus, um allein aufgrund der gemeinsamen Gesellschafterstellung von Kind und Obsorgeberechtigten prophylaktisch eine Kollisionskuratorbestellung zu rechtfertigen.
Formpflicht für Verpflichtungs- sowie Verfügungsgeschäft
Zusammenfassung OGH 6 Ob 240/20t
In der Entscheidung OGH 6 Ob 240/20t wird die Formpflicht des §76 Abs 2 GmbHG behandelt. Dabei bestätigt der OGH die Formpflicht für Verpflichtungs- sowie Verfügungsgeschäft. Wenn Anbot und Annahme in zwei getrennten Urkunden verfasst werden, dann sind beide Urkunden notariatsaktspflichtig.Im Gesellschaftsvertrag kann somit kein unmittelbares Aufgriffsrecht verankert werden, mit dem ein Gesellschafter durch einseitige Erklärung einen Geschäftsanteil erwerben kann. Ein angeordneter ipso-iure Übergang eines Geschäftsanteils ist somit aufgrund der Rechtssicherheit unzulässig. Die Satzung darf jedenfalls keine Erleichterung vorsehen, einem Mitgesellschafter einen Geschäftsanteil anzubieten, bevor er einem Nichtgesellschafter angeboten wird. Wird eine zunächst nicht in Notariatsaktform abgeschlossene Vereinbarung über die Übernahme von Geschäftsanteilen zu einem späteren Zeitpunkt, durch Abschluss eines Notariatsaktes, saniert, kommt dieser Handlung keine rückwirkende Wirkung zu.
FACHPUBLIKATION: Hauptversammlung – Anwaltliche und notarielle Rollen müssen verteilt bleiben
Anwaltliche und notarielle Aufgaben sind verschieden. Gastbeitrag von Mag. Johannes Fürst-Cernek (nhp notare) und Dr. Philipp Kapl (Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH) im Rechtspanorama auf diepresse.com
Die Hauptversammlungen zählen für Aktiengesellschaften in jedem Geschäftsjahr zu den wichtigsten Ereignissen. Die Hauptsaison der jährlichen ordentlichen Hauptversammlungen, in denen vor allem der Jahresabschluss für das Vorjahr behandelt und über die Gewinnverwendung entschieden wird, beginnt jedes Jahr im März und ist für Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionäre gleichermaßen hoch relevant. Regelmäßig treten bei Hauptversammlungen auch Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte und Notare oder Notarinnen auf. Die Aufgaben der beiden Berufe während der Hauptversammlung sind gesetzlich unterschiedlich geregelt – grundsätzlich gilt: Der Rechtsanwalt berät, der Notar protokolliert. In der Hitze des Gefechts kommt es aber mitunter zu einem Verschwimmen dieser Rollenverteilung.
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Haftung bei Übernahme einer Verbindlichkeit durch eine Gesellschaft
6 Ob 164/21t
Die Entscheidung des OGH zur Geschäftszahl 6 Ob 164/21t beschäftigt sich mit der Übernahme einer Verbindlichkeit durch eine Gesellschaft und der daraus resultierenden Haftungsfrage. Konkret geht es um einen Kauf-/Pachtvertrag, der vor der Eintragung einer GmbH in deren Namen abgeschlossen worden ist. Gemäß § 2 Abs. 1 GmbHG haftet zunächst derjenige für die Verbindlichkeit, der im Namen der noch nicht eingetragenen Gesellschaft gehandelt hat. Nach § 2 Abs. 2 GmbHG kann jedoch binnen drei Monaten nach Eintragung eine Schuldübernahme durch die GmbH ohne Zustimmung des Gläubigers erfolgen, eine Mittelung an letzteren reicht aus. Der OGH bestätigt die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass sich eine solche Schuldübernahme auf denjenigen, der im Namen der noch nicht eingetragenen Gesellschaft gehandelt hat, haftungsbefreiend auswirkt.
Vertretungsbefugnis des – durch einen Gesellschafter entsandten – Geschäftsführers
OGH 6 Ob 22/21k
Gemäß § 18 Abs 1 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. In § 18 Abs 2 GmbHG ist eine Zweifelsregel normiert. Zu Willenserklärungen der Gesellschaft bedarf es der Mitwirkung sämtlicher Geschäftsführer, wenn im Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Zeichnung geschieht in der Weise, dass die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft ihre Unterschrift hinzufügen.
In der vorliegenden Entscheidung des OGH hat dieser entscheiden, dass auch für einen aufgrund eines Entsendungsrechts eines Gesellschafters entsandten Geschäftsführer § 18 Abs 2 GmbHG gilt. Das bedeutet, dass diesem Gesellschafter, mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag, keine Einzelvertretungsbefugnis zukommt.
Erbunwürdigkeit auch bei Beeinträchtigung der gesetzlichen Erbfolge
OGH 2Ob174/20g
Damit man in Österreich erben kann muss man gem. § 538 ABGB rechtsfähig und erbwürdig sein. Die Erbwürdigkeit verliert man unter anderem, wenn man gem. § 540 ABGB die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt hat.
In der vorliegenden Entscheidung des OGH ging es unter anderem um die Frage, ob man erbunwürdig ist, wenn man ein Testament fälscht, obwohl der Verstorbene keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat. Der OGH entschied, dass die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen auch dann vereitelt wird, wenn die gesetzliche Erbfolge beeinträchtig wird. Somit läge sohin Erbunwürdigkeit vor. Sie wird aber durch den Rücktritt vom Versuch der strafbaren Handlung wieder beseitigt. Der Erfolg der strafbaren Handlung muss freiwillig abgewendet worden sein.
Relative Unfähigkeit von Testamentszeugen – teilweise Wirksamkeit von letztwilligen Verfügungen trotz Unfähigkeit von Testamentszeugen
2 Ob 84/20x
Ein Erbe oder Vermächtnisnehmer, oder eine diesem nahestehende Person, ist gem. § 588 Abs. 1 ABGB für die ihm in der letztwilligen Verfügung zugedachte Zuwendung kein fähiger Zeuge.
Die Zeugnisunfähigkeit des Erben und des Vermächtnisnehmers (bzw. ihm nahestehenden Personen) beschränkt sich auf die begünstigenden Anordnungen.
Zur Prüfung, ob eine Begünstigung vorliegt, sind nicht die Vor- bzw. Nachteile einer letztwilligen Verfügung im gesamten zu betrachten, sondern es sind sämtliche Anordnungen in der letztwilligen Verfügung für sich zu prüfen. Die vorgenannte Entscheidung des OGH besagt, dass andere Anordnungen, die in einer letztwilligen Verfügung enthalten sind, sehr wohl wirksam bezeugt werden können.
Die Folge daraus ist die Teilwirksamkeit von letztwilligen Verfügungen.
Verjährung des Pflichtteilsanspruchs: Ablaufhemmung während des Verfahrens über das Erbrecht
2 2 Ob 35/21t
Gemäß § 1487a ABGB, welcher mit dem ErbRÄG 2015 eingeführt wurde, verjähren Pflichtteilsansprüche innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen (subjektive Frist), jedenfalls aber innerhalb von dreißig Jahren ab dem Tod des Verstorbenen (objektive Frist; unabhängig von der Kenntnis).
Erhebt ein Pflichtteilsberechtigter als auf den Rechtsweg verwiesener Erbansprecher die Erbrechtsklage, so wird der Ablauf der Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches gehemmt. Dies stellt einen Hemmungsgrund eigener Art dar, ähnlich wie das Führen von Vergleichsverhandlungen. Während des Verfahrens kann der Pflichtteilsberechtigte nämlich keine Pflichtteilsklage einbringen, schließen doch ein im Verfahren über das Erbrecht behaupteter Anspruch und ein Pflichtteilsanspruch einander aus.
Die Ablaufshemmung endet mit Rechtskraft des Beschlusses (seit dem AußStrG 2003 gehören Verfahren über das bessere Erbrecht vor das Außerstreitgericht) über die Feststellung des Erbrechts. Die Pflichtteilsklage ist dann unverzüglich, also binnen angemessener Frist, einzubringen. Im Anlassfall wurde die Einbringung 26 Tage nach Rechtskraft des Beschlusses nicht beanstandet.
Die Ablaufhemmung wurde schon zur Rechtslage zum AußStrG 1854 judiziert, wird nun aber vom OGH ausdrücklich auch auf den neu eingeführten § 1487a ABGB und das „reformierte“ Außerstreitgesetz übertragen.
COVID-19-Gesetz: elektronische Errichtung von Notariatsakten und Beglaubigungen
Mit dem 4. COVID-19-Gesetz hat der Nationalrat auch die Notariatsordnung geändert und im neuen § 90a Notariatsordnung die Erlaubnis für elektronische Notariatsakte und Beglaubigungen nach dem Muster der digitalen GmbH geschaffen.
nhp notare war die erste Notariatskanzlei in Österreich, die im Oktober 2019 eine digitale GmbH gegründet hat und konnte auf diesem neuen Feld der elektronischen Notariatsdienstleistungen bereits umfangsreiche Erfahrungen sammeln.
Grundsätzlich setzt die Errichtung einer öffentlichen Urkunde das persönliche Erscheinen der Parteien vor dem Notar voraus. Die neuen technischen Möglichkeiten gewährleisten ein hohes Maß an Sicherheit. Mit dem Elektronische Notariatsform-Gründungsgesetz gab es eine Neuerung im Bereich der Errichtung von Notariatsakten, wonach gemäß § 69b NO ein Notariatsakt nach Maßgabe der verfügbaren technischen Voraussetzungen nunmehr auch elektronisch unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit errichtet werden kann.
Aufgrund der dazu in § 69b NO gemachten Vorgaben und Sicherheitsanforderungen ist gewährleistet, dass sowohl die Einhaltung der den Notar treffenden Identifizierungspflichten als auch die ihn gegenüber allen Parteien treffenden Belehrungs- und Beistandspflichten verlässlich ermöglicht und sichergestellt werden.
Zur Verhinderung der weiteren Verbreitung von COVID-19 ist es derzeit notwendig, persönliche Kontakte zwischen Menschen auf das Notwendigste zu reduzieren. Weiterhin brauchen die Menschen und die Wirtschaft notarielle Leistungen, gerade auch im Bereich der Errichtung öffentlicher Urkunden einschließlich der Vornahme von Beglaubigungen.
Der Notariatsakt wird digital – Wiener Zeitung
Gastkommentar von Sophie Martinetz, Gründerin von Future-Law, Wiener Zeitung vom 23.04.2020
Was Corona in kürzester Zeit alles in der Digitalisierung erreichen kann.
Wer ist der große Treiber der Digitalisierung? Ihr Managing Partner? Ihre IT? Oder Corona? Diese Frage beantworten die meisten im Moment mit “Corona”, denn die erzwungene Umstellung aufs Homeoffice bringt einen enormen Anstieg der Nutzung digitaler Tools. Nun haben auch die Notare den digitalen Weg eingeschlagen: Die ersten Erfahrungen wurden mit der digitalen GmbH Gründung gemacht. Mit dem Inkrafttreten des vierten Covid-19-Gesetzes Anfang April 2020 ist die Grundlage geschaffen worden, einen Großteil der notariellen Beurkundungen digital durchzuführen. Auf Grund der “Corona Situation” wurde innerhalb kürzester Zeit eine digitale Alternative zur “normalen” Beurkundung ins Leben gerufen…
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Innere Urkundeneinheit eines mehrblättrigen Testaments
OGH 2 Ob 29/22m
In der Entscheidung 2 Ob 29/22m behandelt der OGH die Frage nach der inneren Urkundeneinheit bei einem mehrblättrigen Testament bestehend aus losen Blättern. Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung ist ein solches Testament dann formgültig, wenn es eine „einheitlichen Urkunde“ darstellt, hervorgerufen durch eine „innere“ oder „äußere Urkundeneinheit“. Der OGH hielt fest, dass die innere Urkundeneinheit bereits dann vorliegt, wenn bei einer nicht handschriftlich verfassten letztwilligen Verfügung der Testator einen Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt schreibt und unterfertigt. Dabei muss er Bezug auf seine letztwillige Verfügung nehmen, wobei nur erkennbar sein muss, auf welche inhaltliche Anordnung sich der Vermerk bezieht.Die bloße Fortsetzung des Textes genügt hingegen bei einer nicht handschriftlich verfassten fremdhändigen letztwilligen Verfügung nicht zur Herstellung der inneren Urkundeneinheit.
Erste hybride Urkunde mit Zwischenbeglaubigung und Beglaubigung des Außenamtes
Bislang war es lediglich möglich, auf analogen Urkunden Beglaubigungen des Außenamtes zu erhalten.
Dies änderte sich jedoch am 21.10.2022: Zum ersten Mal wurde uns nämlich eine digitale Urkunde, welche in späterer Folge eine hybride Urkunde wurde, von der Beglaubigungsstelle im Justizpalast zwischenbeglaubigt und von Außenministerium in weiterer Folge beglaubigt.
Somit ist der nächste Schritt hinsichtlich der digitalen Beurkundungstätigkeit gemacht.