Notar Dr. Philipp Nierlich hat am 31.10.2023 ein Interview in der Zeit im Bild 3 zum Thema digitaler Nachlass gegeben:
Der digitalen Nachlass sind die Benutzerkonten und persönlichen Daten, die nach dem Tod einer Person im Internet weiterbestehen. Dazu gehören Profile auf sozialen Netzwerken (wie Facebook, Twitter, Xing, LinkedIn), E‑Mail-Konten, Konten bei Online-Diensten (wie PayPal, Spotify, Netflix), Blogs, Websites, Domainnamen, Online-Banking, Mediendienste (wie Spotify, Netflix, Online-Abos von Zeitungen), Fotodienste (wie Instagram, Flickr), Videodienste (wie YouTube, Vine), Versandhandelskonten (wie Amazon, eBay), Profile auf Partnervermittlungsbörsen und E‑Government-Dienste (wie FinanzOnline, Handy-Signatur/Bürgerkarte). Auch Offline-Daten, die auf einem Gerät gespeichert sind, wie Fotos, Videos, Filme, Musikdateien und elektronische Dokumente, gehören zum digitalen Nachlass. Nach der Einantwortung treten die Erben in alle Rechte, Pflichten und Rechtsverhältnisse des Verstorbenen ein, einschließlich der im Internet geschlossenen Verträge.
Für die digitale Nachlassvorsorge ist es wichtig, eine Liste mit allen Online-Mitgliedschaften, Profilen und sonstigen Accounts anzulegen, einschließlich Benutzernamen und Passwörtern. Diese Liste sollte an einem sicheren Ort aufbewahrt werden, beispielsweise in einer Dokumentenmappe oder bei einem Notar hinterlegt werden.
Es ist auch ratsam, neben den Zugangsdaten die gewünschte Vorgehensweise für die Hinterbliebenen festzuhalten. Es gibt grundsätzlich vier Möglichkeiten, wie mit dem digitalen Nachlass umgegangen werden kann: Erhaltung, Löschung, Archivierung oder Übertragung der Daten an Angehörige, Erben oder Dritte.
Viele soziale Netzwerke wie Facebook und Google+ bieten mittlerweile Optionen an, um für den Todesfall vorzusorgen. Zum Beispiel können bestimmte Personen informiert werden, wenn der Kontoinhaber über längere Zeit inaktiv ist, oder eine Person kann als „Nachlasskontakt“ festgelegt werden. Diese Informationen finden sich in den Kontoeinstellungen des jeweiligen sozialen Netzwerks.
Eine technische Alternative zur physischen Liste der Zugangsdaten ist die Verwendung eines Passwort-Managers. Ein Passwort-Manager ist ein Programm, in dem alle Zugangsdaten (Benutzernamen, Passwörter) gespeichert werden und mit einem einzigen Hauptpasswort abgerufen werden können. Im Todesfall kann eine Vertrauensperson mit diesem Hauptpasswort alle Zugangsdaten abrufen.
Um die digitale Vorsorge umzusetzen, ist es hilfreich, eine Checkliste zu erstellen, die folgende Punkte enthält:
- 1. Welche Daten/Accounts/Online-Mitgliedschaften existieren?
- 2. Wie lauten die jeweiligen Zugangsdaten?
- 3. Was soll mit dem jeweiligen Account/den jeweiligen Daten geschehen (Erhaltung/Löschung/Archivierung/Übertragung der Daten an eine andere Person)?
- 4. Wer soll sich darum kümmern?
Dieses Dokument sollte an einem sicheren Ort aufbewahrt werden, beispielsweise in einer Dokumentenmappe oder bei einem Notar hinterlegt werden, damit im Falle des Todes alle notwendigen Schritte unternommen werden können. Wurde keine Vorsorge bezüglich des digitalen Nachlasses getroffen und hat die verstorbene Person keine Aufzeichnungen ihrer Online-Aktivitäten hinterlassen, können die Erben folgendes tun, um die Online-Aktivitäten zu ermitteln und gegebenenfalls Schritte zu setzen:
- 1. Internetrecherche: Mit Internetsuchmaschinen wie Google kann nach dem Namen oder den E‑Mail-Adressen der verstorbenen Person gesucht werden. Auch nach Spitznamen oder Namenskürzeln sollte gesucht werden, um mögliche Online-Profile zu finden.
- 2. Befragung von Bekannten: Freundinnen, Freunde, Verwandte, Kolleginnen, Kollegen und die Partnerin oder der Partner sollten zu den Online-Aktivitäten der verstorbenen Person befragt werden. Sie könnten Kenntnisse über existierende Online-Accounts oder Profile haben.
- 3. Kontaktierung der Dienste und Netzwerke: Wenn der digitale Nachlass identifiziert wurde, können die einzelnen Dienste oder sozialen Netzwerke kontaktiert werden, um sie über den Todesfall zu informieren. In der Regel wird die Sterbeurkunde benötigt, oft auch die Einantwortungsurkunde. Die Unternehmen prüfen solche Anträge normalerweise genau, um Missbrauch auszuschließen, was Zeit in Anspruch nehmen kann.
Einige Bestattungsunternehmen bieten mittlerweile auch Dienste zur Suche oder Verwaltung des digitalen Nachlasses an, um den Hinterbliebenen in dieser Angelegenheit zu unterstützen.
Bei einigen E‑Mail-Anbietern können die Hinterbliebenen einen Antrag auf Zugriff auf das E‑Mail-Konto der verstorbenen Person stellen. Auch hier werden in der Regel die Sterbeurkunde und die Einantwortungsurkunde benötigt, um den Antrag zu bearbeiten.
Die meisten sozialen Netzwerke wie Facebook und Google+ bieten mittlerweile Optionen an, um mit dem Konto einer verstorbenen Person umzugehen. Zum Beispiel kann auf Facebook ein Antrag auf Herstellung des Gedenkzustands gestellt werden. Detaillierte Informationen dazu finden sich auf den Hilfe-Seiten des jeweiligen sozialen Netzwerks.