2 Ob 124/20d
Die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen zählt zu den schwierigsten Themen des Erbrechts, wenn nicht sogar des ganzen Zivilrechts. Mit dem ErbRÄG 2015 erfolgte eine gewisse Vereinheitlichung, jedoch sind noch längst nicht alle Fragen geklärt. Zu diesen gehörte auch die Problematik, wie vorbehaltene Nutzungsrechte sich auf hinzurechnungspflichtige Schenkungen auswirken. Dieser Frage hat sich der OGH nun in 2 Ob 124/20d gewidmet.
Grundsätzlich sind Schenkungen nach dem Wert im Zeitpunkt des Vermögensopfers zu bewerten; dieser Wert ist nach dem VPI auf den Todeszeitpunkt anzupassen. Soweit die Gesetzeslage. Zu der Frage, wie sich ein vorbehaltenes Nutzungsrecht auf den Wert der Schenkung auswirkt, schweigt das Gesetz.
Mit dieser Thematik konfrontiert, kommt der OGH nach einer Stellungnahme zum Zweck der Hinzurechnungsregeln zu dem Ergebnis, dass das vorbehaltene höchstpersönliche Nutzungsrecht des Erblassers, welches mit seinem Tod erlischt, den Wert der geschenkten Liegenschaft nicht mindert. Die Hinzurechnung muss nämlich mit jener Situation gleichgestellt werden, in welcher die Sache noch in der Verlassenschaft verblieben wäre. Auch hier erlischt das Nutzungsrecht mit dem Tod des Berechtigten und kann somit den Wert nicht mehr mindern.
Anders ist die Rechtslage, wenn Nutzungsrechte Dritter an der geschenkten Sache bestehen, welche mit dem Tod des Erblassers nicht erlöschen. In dieser Konstellation ist der von der wahrscheinlichen Restnutzungsdauer ermittelte Wert von der Bemessungsgrundlage abzuziehen.
Zusammenfassend sind Nutzungsrechte Dritter an einer geschenkten Liegenschaft bei deren Hinzurechnung nur insoweit zu berücksichtigen, als sie beim Tod des Erblassers noch bestehen. Erlöschen sie mit diesem Zeitpunkt, so haben sie keinen Einfluss auf die Bemessung des Pflichtteils. Bestehen sie aber weiter, ist der aufgrund der Restnutzungsdauer ermittelte (versicherungsmathematische) Wert von der Bemessungsgrundlage abzuziehen.