OGH 6 Ob 198/20s
Während rechtspolitisch die Reduktion oder sogar die Abschaffung der Formpflicht im GmbH-Recht diskutiert wird, hält der OGH an dieser fest: Die Formpflicht dient nicht nur dem Schutz der Parteien beim Erwerb einer Beteiligung und der Publizität, sondern sie hat auch eine Klarstellungsfunktion: Veränderungen der wirtschaftlichen Zuordnung von Geschäftsanteilen müssen mittels Notariatsakt erfolgen.
Die Formpflicht gilt sowohl für das Verpflichtungs- als auch für das Verfügungsgeschäft. Wird sie nicht eingehalten so führt dies zur Unwirksamkeit der Einigung über die Abtretung.
Kürzlich hatte der OGH erneut Gelegenheit zur Formpflicht Stellung zu nehmen, nämlich im Zusammenhang mit gesellschaftsvertraglich vereinbarten Aufgriffsrechten. Im Gesellschaftsvertrag einer GmbH fand sich eine Bestimmung, wonach ein veräußerungswilliger Gesellschafter seinen Geschäftsanteil den übrigen Gesellschaftern zum Erwerb anzubieten hatte.
Der veräußerungswillige Gesellschafter stellte ein Anbot auf Abtretung seines Geschäftsanteils in Notariatsaktsform an einen Dritten und bot daraufhin unter Anschluss des Abtretungsanbots den übrigen Gesellschaftern seinen Geschäftsanteil zum Aufgriff an. Dieses Aufgriffsanbot wurde aber nur in einem formlosen Schreiben gestellt. Das OLG Innsbruck bejahte als Rekursgericht eine Notariatsaktspflicht, so auch der OGH, der die Revision gegen die Entscheidung des Rekursgerichts als unzulässig zurückwies.
In der Begründung führte der OGH aus, dass ein Anbot zum Erwerb eines GmbH-Geschäftsanteils jedenfalls notariatsaktspflichtig sei. Lediglich in einem Fall, in dem die Voraussetzungen für das Aufgriffsrecht in aller Deutlichkeit bereits unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag hervorgehen und so ein Gesellschafter durch einseitige Erklärung einen Geschäftsanteil erwerben könnte, kann eine Reduktion der Formpflicht erwogen werden (so die Lehre in Deutschland). Der OGH setzt sich aber nicht weiter mit dieser Konstellation auseinander, sodass die Formpflicht im vollen Ausmaß (also für Anbot und Annahme) auch bei gesellschaftlich vereinbarten Aufgriffsrechten bestehen bleibt.